Kaffeehausgespräche – Christoph Drewitz

Frühaufsteher oder Morgenmuffel?
Frühaufsteher 

Kaffee oder Tee?
Kaffee gar nicht. Tee… wenn ich krank bin.

Wie bist du zu dem gekommen, was du heute machst? 
Ich habe in der Musicalgruppe der Goetheschule Wetzlar (Oberstufe) auf und hinter der Bühne agiert. Es folgte mein Studium zum Kulturmanager in Freiburg/Breisgau und nebenbei war ich Darsteller und Regisseur meiner eigenen Musicalgruppe geworden. In Zuge meines Studiums kam ich als Praktikant zur Stageholding ins Casting und wurde dann fest übernommen. Assistenz in der Geschäftsführung war ich für ein knappes Jahr, ehe ich zum Casting Direktor für Blue Man Group berufen wurde. Es folgten weitere Jahre im Casting bei Stage und währenddessen meine erste professionelle Regie („Die letzten 5 Jahre“ in Wuppertal, 2005). Kurz darauf wurde ich Künstlerischer Leiter für „3 Musketiere“ in Stuttgart und war in dieser Position auch in Essen (Mamma Mia und Ich will Spaß!) und dann im Operettenhaus für fast 10 Jahre aktiv (Ich war noch niemals in New York, Sister Act, Rocky, Kinky Boots, Ghost). Seit 2019 bin ich nun freiberuflicher Regisseur.

Stell uns doch bitte kurz die Meilensteine in deiner beruflichen Laufbahn vor? 
Die letzten 5 Jahre war der Startschuss der professionellen Regie für mich und daher was besonderes. Rocky hat mich lange begleitet und auch nach New York gebracht. Mit der tschechischen Produktion in Prag hatte sich der Kreis dann geschlossen, die durfte ich neu inszenieren. „Lotte“ in Wetzlar war mein Herzensprojekt, weil es ein Musical in meiner Heimat war, welches ein Überraschungshit wurde und mehrfach für den deutschen Musical Theater Preis nominiert wurde. Fack Ju Göhte und Amélie sind ohne Zweifel weitere Meilensteine in meiner Karriere gewesen. Wann darf man heutzutage schon mal ein Theater mit seinen eigenen Arbeiten eröffnen.

Was ist dein Antrieb? 
Mich treibt der Wille, das moderne Musiktheater hierzulande voran zu bringen und dabei mitzuhelfen, dass es sich weiter professionalisiert und als eigene Sparte ernst genommen wird. Dafür braucht es viel Dialog und ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Genre Musical, um Barrieren und Schubladendenken abzubauen. Eine bessere Vernetzung von öffentlichen Theatern und privaten Produzenten könnte da eine große Hilfe sein, so dass sich mehr neue Stoffe umsetzen lassen und etwas gewagt werden kann.

Die fabelhafte Welt der Amelie - DerKultur.blog

Wir kennen dich ja aus dem ehemaligen Werk7 Theater in München, da warst du als Regisseur für die Musicals „Fack yu Göthe“ und „Die fabelhafte Welt der Amelie“ tätig. Ist München keine Musicalstadt oder warum hatte das Werk7 – welches ja auf eine gewisse Weise einzigartig war – keine so lange „Lebenszeit“?
Das Werk7 war ein besonderer und inspirierender Ort. Die Lage war nicht einfach, weil das Werksviertel noch nicht völlig entwickelt ist. Die Zukunftsaussichten sind aber meiner Meinung nach optimal. Da ist während der zwei Jahre so viel passiert. Schade, dass man produzentenseitig nicht mehr Geduld damit hatte. Ich bin mir sicher, dass das Haus mittelfristig erfolgreich hätte bespielt werden können, vielleicht auch mit einem anderen Konzept als einer Ensuite-Bespielung.

Die fabelhafte Welt der Amelie - DerKultur.blog

Fack ju Göthe“ und „Die fabelhafte Welt der Amelie“ sind zwei komplett verschiedene Stücke, das eine jung, wild und laut und das andere leise und verträumt. Warum kam „Die fabelhafte Welt der Amelie“ nie richtig auf die Beine, an der hervorragenden Cast kann es ja nicht gelegen haben?
Bei beiden Stücken stehe ich voll hinter dem, was wir da künstlerisch umgesetzt haben. Wir hatten großartige Teams im Werk7, auf und hinter der Bühne, die alle kompromisslos für das Theater dort gelebt haben. Die Qualität der Aufführungen war immer gleichbleibend hoch. Warum es wirtschaftlich nicht funktioniert hat, kann ich leider nicht vollkommen beurteilen. Ich vermute, dass ein Faktor war, dass man unterschätzt hat, wieviel Aufwand es braucht, um einen Standort von 0 zu etablieren.

Haben große Theaterhäuser mit über 1.000 Zuschauer Zukunft (also, wenn alles wieder mal normal laufen würde) oder geht der Trend zu kleineren Produktionen?
Es wird die großen Häuser noch eine Weile geben, aber sie müssen mit den „Spektakeln“ oder „Marken“ bespielt werden, um Massen zu ziehen, also König der Löwen, andere Disney Shows oder etwas wie Mamma Mia. Andere Titel haben es auf dem Longrun-Markt schwerer. Aber der Tourmarkt hat sich zuletzt quantitativ aber auch qualitativ gut entwickelt und es gibt ja diverse Stadttheater, die sich sehr ernsthaft und qualitativ hochwertig mit Musical auseinander setzen. Davon muss es aber noch mehr geben und eben auch vermehrt mal neue Stoffe, egal ob im Großen oder Kleinen. Nun müssen wir aber abwarten, was in einer Welt nach der Pandemie davon noch übrig ist. 

Du bist ja sehr Musical-geprägt. Warum kommt eigentlich nicht wirklich viel neues in in diesem Bereich nach Deutschland- Tanz der Vampire sollte ja nun doch schon jeder gesehen haben 🙂 ?  
Es liegt daran, dass die Förderung für neue Projekte hierzulande nicht sehr entwickelt ist. Das kann nicht alleine die Aufgabe der privaten Produzenten sein. Man muss auch dem Musical die Chance geben, auch mal zu scheitern. Hierzulande muss Musical in der Regel aber direkt im Verkauf funktionieren. Auch im Autorenbereich haben wir noch keine Professionalisierung wie z.B. in Amerika. Dort gibt es auf sehr hohem Niveau einen Austausch und einen Wettbewerb zwischen den Kreativen und dazu Produzenten, Theater, Gruppen, in denen Musical einen selbstverständlichen Anteil bei der Entwicklung neuer Stoffe haben. Ich glaube auch, dass Tanz der Vampire inzwischen jeder gesehen hat, den es interessiert. Das Stück hat eine unglaubliche Erfolgsgeschichte hingelegt und das ist sehr respektabel. Kommerziell hat es viel für das deutsche Musical getan, auch wenn man der Inszenierung einen gewissen Verschleiß anmerkt und eine Pause und dann irgendwann eine Neuinszenierung dem Stück gut tun würde.

Rosengärtchen live - DerKultur.blog
Frank Dauer (Geschäftsführer Kultursommer Mittelhessen e.V.) links, Christoph Drewitz (Initiator und Künstlerischer Leiter Rosengärtchen live) rechts
Rosengärtchen live - DerKultur.blog

Dein neues Projekt sind jetzt die Wetzlarer Festspiele und aktuell, wegen den Coronabeschränkungen, das Popup Festival „Rösengärtchen live„. Was kann sich der Leser darunter vorstellen? 
Ganz wichtig: Es geht bei uns nicht um die Wetzlarer Festspiele, wir haben mit Rosengärtchen live ein einmaliges Festival in einer besonderen Zeit auf die Beine gestellt. Die Festspiele können nächstes Jahr hoffentlich wie gewohnt ablaufen. Wir haben es darum auch Pop-up Festival genannt, weil es plötzlich auftaucht, kurz da ist und dann auch wieder verschwindet. Wir haben in kürzester Zeit ein Programm zusammen gestellt, um aus unterschiedlichen Genres KünstlerInnen die Chance zu geben, endlich wieder aufzutreten und den Menschen den Sommer auf Balkonien mit Veranstaltungen zu versüßen. Wir haben ein Hygienekonzept, das allen Regelungen des Landes Hessen genügt, so dass man sich bei uns wohl und sicher fühlen kann.

Wir führen das Interview in Zeiten von Corona. 

Dein Lieblingsort während der Corona-Krise? 
In den letzten Monaten war ich viel in der Natur und habe meine mittelhessische Heimat neu entdeckt. Der Wald und die Rad- und Wanderwege an der Lahn sind meine liebgewonnenen Orte der letzten Zeit, weil man dort das Gefühl von Normalität und Freiheit haben kann.

Was hat sich an deinem Tagesablauf während #Socialdistance verändert? 
Der direkte Kontakt mit Menschen ist großteils weggebrochen und es wurde nicht geprobt. Mein „Arbeitsleben“ hat sich sehr in die virtuelle Welt verlegt. Anfangs habe ich für meine Freunde ein paar Zoom-Quizshows abgehalten, um uns gemeinsam zu bespaßen und was miteinander zu erleben. Das war wohl mein erster kreativer Output, den ich in der Pandemie zustande gebracht hatte. Dennoch habe ich viel Zeit für mich und meine Familie gehabt, das hätte ich sonst so niemals hingekriegt.

Beruflich habe ich mich in der Deutschen Musical Akademie mehr engagiert und bin dort nun im Vorstand aktiv. Das ist eine neue Tätigkeit, die ich gerade in dieser Zeit sehr wichtig finde. Auch wir Musicalmacher müssen unsere Interessen gebündelter vortragen können und Lobby-Arbeit machen.

Einige Beschränkungen wurden ja bereits gelockert, was hast du schon wieder unternommen? 
Restaurants besucht und mit ein paar Freunden Zeit verbracht und nach vielen Zoom-Meetings endlich wieder echten Kontakt gehabt. Ich war auch in diversen Autokinos, auf Autokonzerten und auch im Theater in Göttingen bei „Die Methode“, eine sehr spannende Inszenierung, die sich mit der aktuellen Zeit clever auseinander gesetzt hat.

Was fehlt dir aktuell noch am meisten?
Unbeschränktes Reisen und Proben an einem Stück.

Welche Musik hörst du hauptsächlich?
Ich höre privat tatsächlich nicht so viel Musik, weil ich mich beruflich ständig mit Musik beschäftigen darf. Daher kommen Musical-Aufnahmen öfter zum Einsatz. Ansonsten mag ich Klassik-Rock und diverse Singer/Songwriter.

Ist Social Media für dich eher Fluch oder Segen?
Es kann sehr nützlich für den Informationsaustausch sein. Ich kann aber mit der Empörungskultur nichts anfangen. Sachliche Diskussionen sind da leider sehr rar. Zu Anfang der Pandemie habe ich mich über mich sehr geärgert, wieviel Zeit ich stumpf in den Sozialen Medien verdaddelt hatte ohne echten Wert.

Auf was bist du besonders stolz? 
Stolz als Wort ist nicht so richtig geeignet, ich bin sehr dankbar, dass man mir immer wieder das Vertrauen geschenkt hat und schenkt, bei außergewöhnlichen Projekten mitzuwirken. Sei es Rocky, Blue Man Group oder das Werk7 in München.

Gibt es etwas was du dir in letzter Zeit gegönnt hast? 
Ich habe mir Zeit für mich gegönnt. Das war bei allem Stress durch die Pandemie ein echter Gewinn. Man musste nirgendwo zu einem bestimmten Punkt sein und das hat sich nach einer Zeit dann richtig gut angefühlt.

Für was gibst du gerne Geld aus? 
Reisen und Mützen

Dein kleiner Beitrag zum Klimaschutz bzw. verzichtest du der Umwelt zuliebe auf etwas?
Ich habe meine Ernährung dahingehend umgestellt, dass ich kaum noch Fleisch esse, was für einen in Mittelhessen aufgewachsenen Menschen nicht selbstverständlich ist. 

Ansonsten fahre ich ein Hybrid-Auto, vermeide soviel Plastik, wie möglich und fliege so wenig wie nötig… aber ich bilde mir nicht ein, dass es damit schon getan ist. Ich lebe inzwischen allerdings viel bewusster und denke über meinen ökologischen Fussabdruck viel mehr nach als noch vor ein paar Jahren.

Mit welchen drei Worten würden dich deine Freunde beschreiben? 
Oje… dafür müsstet ihr sie fragen… ich vermute „gelassen“, „emphatisch“, „ungeduldig“

Gibt es etwas was du gar nicht kannst, aber gerne können würdest?
Ich kann leider kein Instrument spielen und das finde ich sehr schade! Klavier oder Gitarre wäre schon schön zu können.

Was schiebst du immer wieder auf?
Alles was mit Finanzen zu tun hat… Steuererklärung ist wahrscheinlich das, was kaum jemand gerne sofort erledigt.

Und ich kann total gut meine gewaschene Wäsche wochenlang im Wäschekorb aufbewahren, ohne sie in den Schrank zu räumen :-).

Welche Pläne hast du für die Zukunft? 
Das ist in der jetzigen Zeit eine schwer zu beantwortende Frage. Ich bin per se schon niemand, der zu weit voraus plant. Ich versuche viel im „Jetzt“ zu sein. Bis vor kurzem wäre die Antwort aber wohl „ein eigenes Theater betreiben“ gewesen. Wenn ich mir aber ansehe, wie es derzeit um die kleineren Kulturbetriebe bestellt ist und wie wenig Aufmerksamkeit ihnen geschenkt wird, dann bröckelt dieser Gedanke derzeit und ich schaue mal, wie sich das alles neu zusammen setzt.

Hast du ein Lebenszitat? 
Dare, always dare!

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