Auf einen Kaffee mit Peter Prange

Fotocredit: Gaby Gerster

Frühaufsteher oder Morgenmuffel?
Kommt darauf an, was man unter „früh“ versteht. Jeden Morgen betrete ich um punkt neun mein Arbeitszimmer, öffne weit das Fenster und bitte die Muse freundlich herbei, mich zu küssen. Manchmal tut sie’s, meistens nicht. Aber nie kann sie behaupten, ich sei nicht da gewesen.

Kaffee oder Tee?
Tee. Täglich zwei Kannen. Von Kaffee bekomme ich Herzrasen.

Wie bist du zu dem gekommen, was du heute machst?
Ich kann auf die Minute genau sagen, wann ich zum Schriftsteller wurde: Am 19. August 1989, um 21:45 Uhr. Da machte das ZDF heute journal mit den Bildern von den DDR-Bürgern auf, die in Ungarn durch den Zaun in den Westen drängten, in die Freiheit. In dem Moment kam mir die Idee zu einer Geschichte: von einer Familie, die gegen Ende des Kriegs zu einer Hochzeit zusammenkommt und in die dann die Faust Gottes in Gestalt des Zusammenbruchs hineinschlägt. Die Mitglieder dieser Familie werden über ganz Deutschland verstreut und brauchen ein halbes Jahrhundert, um wieder zusammenzufinden. Daraus wurde mein erster Roman: „Das Bernsteinamulett“, die Geschichte der deutsch-deutschen Teilung, vom Kriegsende bis zur Wiedervereinigung.

Stell uns doch bitte kurz die Meilensteine in deiner beruflichen Laufbahn vor?
Studium der Romanistik, Germanistik und Philosophie. Promotion zum Dr. phil. mit einer Dissertation über erotische Literatur: „Das Paradies im Boudoir“. Anschließend einige Jahre „earning by learning“ als Übersetzer, Werbetexter, Unternehmensberater. Durchbruch als Autor mit dem Roman „Das Bernstein-Amulett“, der als Zweiteiler für die ARD verfilmt wurde. Seitdem freier Schriftsteller, sprich: mein eigener Sklavenhalter.

Welchen Beruf haben sich deine Eltern für dich gewünscht?
Mein Vater führte ein Bettengeschäft, machte also “in Betten”. Da wollte ich doch lieber „DICHTER“ werden.

Wie gehst du an ein neues Buchprojekt ran?
Das geht nie von mir aus, sondern stets umgekehrt: Irgendeine Idee springt mich an, aus heiterem Himmel, wie beim „Bernsteinamulett”. Und wenn sie partout eine Geschichte werden will und immer wieder in mir hoch kommt, obwohl ich alles versuche, sie zu unterdrücken, bleibt mir irgendwann nichts anderes übrig, als ein Buch daraus zu machen. Damit sie endlich Ruhe gibt.

Setzt du dir selbst feste „Leitplanken“ beim Schreiben oder kann es auch mal sein, dass von deiner Anfangsidee nicht mehr viel übrig bleibt?
Bei allen meinen ausgeführten Projekten war die Anfangsidee so stark, dass sie in den Grundzügen bis zum Schluss erhalten blieb. Ideen, die diese Kraft nicht haben, würden es auch nicht schaffen, mich ein oder manchmal sogar zwei oder drei Jahre lang an den Schreibtisch zu fesseln.

Zu welcher Uhrzeit bist du am kreativsten?
Dafür gibt’s keine festen Zeiten. Ideen schauen nicht auf die Uhr.

Woher holst du dir deine Ideen oder was inspiriert dich?
Ich „hole“ mir meine Ideen nicht, ich bekomme sie geschenkt. Aber vielleicht sind sie ja auch gar kein Geschenk, sondern eher eine Strafe – wofür auch immer. Schließlich fängt mit der Idee ja die eigentliche Arbeit erst an, und täglich acht bis zwölf Stunden immer nur am Schreibtisch zu sitzen und Zwiesprache mit sich selbst zu treiben ist für einen Menschen, der gern unter Leuten ist, kein Zuckerschlecken.

Deine letzen Werke „Unsere wunderbaren Jahre“ und „Eine Familie in Deutschland“ thematisieren die Kriegs- und Nachkriegszeit. Was „fasziniert“ dich an dieser Epoche?
Das ist die Ursuppe, aus der ich selbst gekrochen bin, der Grund, weshalb ich wurde, wer und was und wie ich bin. Ich denke, das beschäftigt jeden. Schließlich kann man nicht wissen, wohin man geht, wenn man nicht weiß, woher man kommt.

„Unsere wunderbare Jahre“ wurde als Dreiteiler vom WDR verfilmt. Wie viel Einfluss hattest du auf das Drehbuch?
Wenn man als Autor die Filmrechte abtritt, kann der Produzent juristisch mit dem Stoff machen, was er will. Da ich mit dem Produzenten Benjamin Benedict ein sehr freundschaftliches Verhältnis habe, wurde ich bei der Stoffentwicklung hinzugezogen. Allerdings erst bei der fünften Drehbuchfassung.

Gibt es ein Buch von dir, bei dem du sagen würdest „so würde ich das nicht mehr schreiben“?
Ja, aber ich werde mich hüten, den Titel zu nennen.

Leider führen wir das Interview in Zeiten von Corona.
Dein Lieblingsort während der Corona-Krise?
Mein Schreibtisch. Da ist alles so wie sonst.

Wie schaut dein aktueller Tagesablauf während #Socialdistance aus?
So wie immer. Ein Schriftsteller lebt in Dauerquarantäne.

Dein persönlicher Zeitvertreib-Tip zu #stayathome?
Lesen. Und dabei das kleine Wunder erleben, wie aus 26 Buchstaben Welten entstehen. Ich glaube, dieses Wunder lernen wir gerade wieder neu schätzen. Während die Kontaktsperre uns zwingt, in unseren vier Wänden zu bleiben, können wir lesend die ganze Welt erkunden, ohne uns nur einen Meter vom Fleck zu bewegen. Etwas Besseres kann es in diesen Zeiten gar nicht geben.

Was fehlt dir aktuell am meisten?
Nach der Arbeit unter Leute zu gehen.

Welche Musik hörst du hauptsächlich?
Meine innere Stimme. Leider klingt die oft wie Katzenmusik.

Ist Social Media für dich eher Fluch oder Segen?
In der Einsamkeit meines Berufs eindeutig ein Segen. Facebook ist meine virtuelle Caféteria.

Auf was bist du besonders stolz?
Dass ich in Zeiten, in denen es nicht so gut lief, weiter an meine Geschichten geglaubt und weiter geschrieben habe, unbeirrt von schlechten Verkaufszahlen.

Gibt es etwas was du dir in letzter Zeit gegönnt hast?
Ich hab das Privileg, von morgens bis abends etwas zu tun, was mir zwar nicht immer leicht fällt, doch was mich am meisten interessiert: Geschichten erfinden. Da brauche ich keine Zusatzgratifikationen.

Für was gibst du gerne Geld aus?
Zum Glück gibt’s die Dinge, die mir wichtig sind, nicht für Geld. Außer guten Geschichten gehören vor allem Liebe und Freundschaft dazu.

Dein kleiner Beitrag zum Klimaschutz bzw. verzichtest du der Umwelt zuliebe auf etwas?
Ich versuche, vernünftig zu leben. Ich glaube, wenn das wirklich jeder tut, hätten wir das meiste geschafft.

Mit welchen drei Worten würden dich deine Freunde beschreiben?
Schüchtern UND größenwahnsinnig. Drei Worte.

Gibt es etwas was du gar nicht kannst, aber gerne können würdest?
Zeichnen, malen. Kann ich leider nur mit Buchstaben.

Was schiebst du immer wieder auf?
Mich in Geduld zu fassen.

Welche Pläne hast du für die Zukunft?
Weiter schreiben, nach Möglichkeit immer ein bisschen besser. Bis ich tot umfalle.

Hast du ein Lebenszitat?
„Kunst ist, wenn man’s nicht kann. Denn wenn man’s kann, ist’s keine Kunst.“ Nestroy

Welche Frage wird dir selten oder nie gestellt, die du aber gerne mal beantworten möchtest?
Ich glaube, jetzt habe ich genug Fragen beantwortet. Sonst bleibt ja keine mehr offen. Und das wäre das Ende.

Kommentar verfassen