DerKulturBlog-Talk

DerKulturBlog-Talk mit Frank Nimsgern

Hallo Frank, Kaffee oder Tee?
Beides, am Tag mindestens 1 l Pfefferminztee und drei Tassen Kaffee

Frühaufsteher oder Morgenmuffel?
Wenn man Kinder hat, ist man gezwungenermaßen Frühaufsteher

Du hast eine beeindruckende Karriere als Komponist, Dirigent und Musiker. Was hat dich dazu inspiriert, in die Welt der Musik einzutauchen?
Durch die Laufbahn meines Vaters Siegmund, als international gefragter Opernsänger, (Anmerkung. der Red.  :Grammy Award winner mit Placido Domingo, Bayreuth Wotan über 300 CD Aufnahmen )  kam ich sehr früh mit Musik und Theater in allen grossen Opernhäusern und klassichen Werken von NY, Londen bis Milano in Berührung. 
Nach einer CD Aufnahme ( heute Referenz)  vom Parsifal in Berlin unter Herbert von Karajan und meinem Vater – da war ich 10 Jahre alt – war mir klar, dass ich dieses Niveau nie erreichen werde und habe mich für eine andere Musikrichtung entschieden.

Vielleicht kommt daher auch, dass ich der Ring des Nibelungen als Musical transformiert habe. Und nun auch die Zauberflöte, weil mich diese Stücke schon immer als Kind unglaublich fasziniert haben. Viele Sachen hatte  ich schon als 12 jähriger jedoch nicht wirklich verstanden und gedacht, bevor ich jetzt ein schlechter Regisseur werde und die leider toten Komponisten „quäle”, schreibe ich doch lieber selbst das Stück neu mit dem archaischen Hintergrund des Originals. Ich bin auch sehr froh, dass unser „Ring” seit zwölf Jahren in diversen Inszenierungen in deutschen Theatern und seit fünf Jahren jährlich im Festspielhaus Neuschwanstein läuft.

Welches deiner Werke ist dein persönlicher Favorit und warum?
Im Musical-Bereich war und ist „Der Ring” und “Jack the Ripper” doch sehr wichtig für mich gewesen, weil dort stilistisch meine groß-sinfonische Vergangenheit mit einer sehr knalligen rockigen und  jazzigen Musik aufeinander geprallt ist. Wobei „SnoWhite“ 2000 bis dato immer noch seiner Zeit  voraus war.  Im Show-Bereich war es sicherlich die letzte Produktion Grand Show für den Berliner Friedrichstadt-Palast “Qi”, welche über 550.000 Zuschauer sahen. Ich denke es war auch für den Friedrichstadt-Palast eine Wende in der musikalischen Stilistik.

Welche Künstler oder Komponisten haben dich in deiner musikalischen Entwicklung besonders beeinflusst?
Ich habe sehr früh schon Richard Wagners Musik als Droge empfunden, ebenso Bach. In der Pubertät Peter Gabriel, The Who, Toto dann später mehr Jazz, wobei ich Pat Metheny und Lyle Mays bis heute vergöttere. Die Liste ist ansonsten unendlich Beethoven, Richard Strauss, Sting, John Williams, Bernstein, Zimmer, Beatles, Mahler, Lukather  u.v.m. 

Kommen wir zu deinem aktuellen Projekt „Zauberflöte – Das Musical“.


Als ich Zauberflöte in der Pressemeldung gelesen habe, dachte ich  „oh nein, jetzt auch noch eine Oper im Deutschen Theater München, muss das sein? 🙂 Aber dann habe ich weitergelesen und verstanden, dass es sich hier um ganz was Neues handelt. Nicht Zauberflöte – Die Oper, sondern Zauberflöte – Das Musical.
Basis ist das Original, daraus entwickelt sich mein filmisches, kaleidoskopartig erweitertes Kopfkino. Jeder Szene meiner Komposition habe ich eine eigene musikalische Farbe, ein eigenes neues musikalisches und stilistisches Spektrum gegeben.

Unsere Zauberflöte ist kein Mozart Light.  Es ist komplett neue Musik mit einigen Motiven und inspiriert von Mozart und der märchenhaften Geschichte über das Erwachsenwerden. Es ist auch nichts außergewöhnliches, dass man sich an bekannten Opernstoffen bedient. Siehe zum Beispiel Rent gleich La Boheme, Miss Saigon gleich Madame Butterfly, Moulin Rouge weitesten Sinne gleich La Traviata oder das beste Beispiel West Side Story aka Romeo und Julia. Wir transferieren die Geschichte Zauberflöte in eine andere Zeit und versuchen die Charaktere der Mozart Oper neu zu interpretieren, so dass solistisch auch jeder Charakter eine eigene Musikfarbe und Stil bekommt.  Die Königin der Nacht ist bei uns eine Mischung aus Hardrock Sängerin und coloratur Sopran. PapaGeno habe ich eine sehr ethnische und Irish Folk Music Farbe gegeben, etc.

Auf was kann sich der Musicalfan bei Zauberflöte – Das Musical freuen?
Unsere Zauberflöte vereint eine Mischung aus Filmmusikartigem Score mit großen Pop Rock Songs, aber auch dann wieder mit klassischen Arien. Es gibt große ethnische Momente, zum Beispiel die Interpretation des Vogelfängers. Wichtig ist, dass jeder archaische Charakter der Originaloper musikalisch neu interpretiert worden ist. Ich glaube, es ist ein modernes Family Musical Entertainment, welches aber auch frecher, rockiger und etwas mehr „gothic” ist,  als die normale „Disney” Welt

Wie bist du auf die Idee gekommen, dieses Werk neu zu interpretieren?
Der Theaterdirektor vom Festspielhaus Neuschwanstein und Regisseur Benjamin Sahler hat mir den Stoff mehrmals angeboten. Der Intendant Thomas Linsmeier vom Deutschen Theater München wollte unbedingt die Ur-Aufführung. Ich hatte zweimal abgelehnt, bis ich dann eine musikalische Form gefunden hatte, beziehungsweise einen Demo-Song erstellt habe und wusste, in diese Richtung kann ich marschieren, ohne mit dem Original verglichen zu werden. Ansonsten hätte ich es nicht gemacht. Dazu ist mein Respekt zu groß vor dem genialen Original. 

Wie groß ist der Aufklärungsbedarf, damit es vielen nicht auch so geht, wie mir, und sie nicht denken „Zauberflöte – Oper – muss nicht sein“?
Oh das Witzige ist, dass die wenigsten die Geschichte eigentlich wirklich kennen. Dies versuchen wir mit dem Musical neu zu interpretieren und versuchen auch eine stringente Handlung aufzuzeigen mit Identifikationsfiguren, welche auch von einer jüngeren Generaion nachvollziehbar sind. Wir haben z.B. versucht schon in der Ouvertüre und dem ersten Monolog in 2 Minuten zu erklären, um was es geht. Meines Erachtens bleiben im Original, in der Oper Zauberflöte, im zweiten Akt, dramaturgische Löcher, die für mich nie beantwortet sind. Dies versuchen wir anders zu lösen.

Wie weit bist du schon mit dem Stück und wann kann man die ersten musikalischen Ausschnitte hören/sehen?Ich bin jetzt mit der Komposition und der Orchestration zu 90 % durch.  Aino und Benjamin mit dem Text ebenso. Trotzdem geht man immer wieder zurück und wirft eine Idee oder Song in den Müll. Ich habe gelernt, mein Ego zurück zu stellen und immer nur an den dramaturgischen Lauf zu denken. Und Musical ist Timing, Timing, Timing und dann Storytelling, Storytelling! Bei den Opern in den letzten drei Jahrhunderten haben die Leute einfach mehr Zeit gehabt, wenn man daran denkt, dass allein der erste Akt der “Walküre” so lang dauert wie ein ganzes Musical, kann man sich vorstellen, wieso jüngere Leute immer weniger in die Oper gehen. Das ganze Seh- und Hör-Verhalten hat sich komplett verändert.  Mit dem Hintergrund, dass leider immer weniger junge Leute sich für die Oper interessieren, was ich schade finde, weil es eine wunderbare Kunst-Plattform ist. 

Die Welturaufführung ist ja am 11.04.2024 in München, anschliessend zieht es weiter nach Füssen ins Festspielhaus Neuschwanstein. Sind noch weitere Stationen geplant und nehmen sich die beiden Häuser nicht gegenseitig die „Besucher“ weg?
Wir werden ab September 2024 wieder die „Zauberflöte”  im Festspielhaus Neuschwanstein sehr oft spielen. Alle weiteren Statiuonen hängen natürlich ab davon ab, wie unser Werk angenomen wird. 
Wir sind drauf angewiesen, dass die Leute sich unser Musical ansehen und Tickets erwerben. Das ist halt eine Misere in Deutschland, dass Musical immer am Erfolg gemessen werden. Leider ist es künstlerisch ein unglaublicher Druck, den wir deutsche Musicalmacher haben, da wir immer gewisse Parameter der Zwangskommerzialisierung zu erfüllen haben. Leider engt das den künstlerischen Prozess im Kopf beim Schreiben unfassbar ein. Das beginnt ja schon mit der Spieldauer und mit den typischen Mustern, die ein Publikum erwartet.
Und wie schon neulich der wohl erfolgreichste deutsche Autor Michael Kunze in einem Interview sagte „..es ist schwer für das neue Musical in Deutschland Anerkennung zu bekommen – Feuilleton  etc..”.
Dabei ist das Musical für mich die neue Oper des 22. Jahrhunderts, da hier alle Kunstformen originär zusammen kommen: Bühne, Licht, Choreo, Tanz, Musik, Buch etc. Wir müssen am Puls der Zeit sein. Dieses ganze “was ist Kunst was ist keine Kunst“, “was ist U und E Musik?”! geht mir sowieso unglaublich auf den Zeiger. Noch schlimmer ist die Diskussion “Was ist Hochkultur?” Sind wir dann die Subkultur oder „nur“ Unterhaltung? 

Mozart oder Puccini – letztendlich – mussten sie alle unterhalten. Mozart musste komponieren um Geld zu verdienen.  Auch Johann Sebastian Bach musste jede Woche eine Kantate liefern um seine Familie zu ernähren. Ich sage immer: Wir machen Unterhaltung mit Haltung! Man kann bei uns auch tiefenpsychologisch einsteigen, muss es aber nicht zwanghaft, um der Geschichte zu folgen. Ich versuche, narratives Musiktheater zu komponieren, welches die Menschen hoffentlich berührt. Musik ist für mich, die abstrakte Form zu sprechen. Dort, wo die Worte enden beginnt die Musik.

Gibt es evtl. auch eine Cast-CD dazu?
Natürlich wird es einen Original Soundtrack geben, der vor der Premiere erhältlich sein wird.

#privat
Zu welcher Uhrzeit bist du am kreativsten?
Das kann man nicht pauschalieren. Das hängt davon ab, ob ich inspiriert bin. Dafür gibt es keine Uhrzeit.

Dein „song of my liffe
Gibt es nicht, aber hier zwei Versuche: Tannhäuser, Ouvertüre von Richard Wagner und “Solsbury Hill” von Peter Gabriel. 

Beschreibe dich in 3-4 #hashtags
#Workaholic #MusicManiac #Papa  #Mensch

Ergänze folgende Sätze:
Social Media ist für mich … Fluch und Segen, wenn es um Politik geht. Im kulturellen Bereich bin ich sehr dankbar, dass wir so im engen Kontakt mit unserem Publikum sind und teilweise inspiriert es mich. Ich kann auch sehr gut mit Kritik umgehen.
Mein kleiner Beitrag zum Klimaschutz ist… Mein neues E-Auto und eine Solaranlage
Besonders stolz bin ich auf… Meine Tochter und mein Team. Auf das, was wir geschaffen haben
Heimat ist… Wo dein Herz ist

Gibt es etwas was du so gar nicht kannst?
Schränke zusammenbauen

Was hast du dir in letzter Zeit gegönnt?
Orchester Aufnahmen und ein neues Auto 

Welche Frage wird dir selten oder nie gestellt, die du aber gerne hier mal beantworten möchtest?
Bist du glücklich?
Glück ist das Einzige, was sich verdoppelt, wenn man es teilt. Ich bin sehr glücklich mit unseren Produktionen und meiner Musik.
Glück bedeutet den Menschen etwas zu geben und wenn es emotional angenommen wird , etwas zurückzubekommen, was man nicht mit Geld bezahlen kann.
Von dieser Warte her, muss ich sagen, bin ich ein sehr glücklicher Mensch. Außerdem gehören wir zu den 10 % der Weltbevölkerung, die so privilegiert aufwachsen durften und bis dato ein Leben ohne Krieg und Hungersnot hatten. Somit ja – ich bin glücklich und der Beschenkte.

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