Der letzte Höhenrausch im Paradies

Mit seiner achten Ausgabe geht der HÖHENRAUSCH in die letzte Runde.
Diese erfolgreiche und ungewöhnliche Ausstellungserie hat es geschafft, zeitgenössische Kunst und kulturwissenschaftliche Themen einem breiten Publikum näherzubringen: Hunderte von Kunstwerken wurden spezifisch für den Ort ausgewählt, aufgebaut, atmosphärisch installiert oder neu produziert. Künstler*innen von Weltruhm waren ebenso dabei wie Talente und Arrivierte aus der regionalen & österreichischen Szene.
Seit der Kulturhauptstadt Linz09 begeisterte der Höhenrausch, der Turm wurde zu einem Wahrzeichen der Stadt. Auch er wird weichen müssen, denn die Passage mit Parkhaus wurde verkauft, die Dachfläche steht ab 2022 nicht mehr zur Verfügung.
Mehr als 1,3 Millionen Besucher*innen sind seit Beginn über die ungewöhnlichen Parcours geschritten, gestiegen, geklettert und flaniert: Von den Kunsträumen im OÖ Kulturquartier hinauf bis zur Spitze des Aussichtsturms mit Panoramablick; von den historischen Dachböden über Stege, Wege und Brücken auf die Passage Linz und bis zum Parkhaus-Deck.

„Gerade weil der Höhenrausch im letzten Jahr wegen Corona verschoben werden musste, freuen wir uns heuer doppelt, den Besucherinnen und Besuchern diesen einzigartigen Kunstgenuss über den Dächern von Linz ermöglichen zu können. Die Öffnung der Ausstellung ist für uns auch ein weiteres Zeichen des so wichtigen kulturellen Neubeginns im Kulturland Oberösterreich. Für diesen Neubeginn haben wir gemeinsam gekämpft und er soll auch zur breiten Entfaltung in allen kulturellen Bereichen kommen“, betont Landeshauptmann Thomas Stelzer.


Die Ausstellung „Wie im Paradies“ versammelt Werke von mehr als 40 internationalen Künstler*innen, die sich scharfsinnig, humorvoll, kritisch und lustvoll mit paradiesischen Vorstellungen, Zuständen und Zuschreibungen auseinandersetzen. Sie nähern sich von verschiedenen Seiten und spielen alle Tonlagen – anders ist diesem schillernden und widersprüchlichen Begriff wohl nicht beizukommen: Ihre Paradiese sind bunt, grell und schwarzweiß – sie zeigen sich spielerisch, scharfsinnig, humorvoll, aber auch sarkastisch oder traurig; sie sind hyperrealistisch oder abstrakt; sie sind sinnlich, erkenntnisreich, visionär, poetisch und vernebelt gleichermaßen.
In der hohen Schlucht des OK im 1. Stock wartet ein ganz anderes, elegant-zweiköpfiges Tierwesen auf die Paradiesbesucher*innen: rosafarbene, aufblasbare Flamingos des Künstlers Cyril Lancelin.



Vom Pfotenparadies bis zur Eden-Bar: Elisabeth Kramers Plakatwand zeigt, dass ganz Österreich ein Paradies ist – als Namensgeber für Orte, Firmen und Institutionen.



Auf dem Höhenrausch-Dach spielt aber auch der Ausblick – im wörtlichen und übertragenen Sinn – eine wichtige Rolle.

Kein Sorgen Turm – in 30 Metern Höhe, die oberste Turmplattform 60 Meter über dem Straßen Niveau – direkt im Zentrum und trotzdem abgeschirmt.

Zwischen Nebel und Kirschgarten greift eine Künstlergruppe der Kunstuniversität rund um Ton Matton die eigentliche Funktion des Parkhauses auf und wirft einen ironischen Blick auf eine Zukunft, in der sich der Verkehr festgefahren hat und Autowracks Bestandteil von „wilden Paradiesinseln“ sind






Höhenrausch Dach
Auf dem großen Parkdeck des Passage und der raiffeisen-kunst-garage sorgt die legendäre japanische Künstlerin Fujiko Nakaya für eine Hauptattraktion der heurigen Ausstellung: Ihre abstrakt-sinnliche Skulptur ändert durch den Wind ständig ihre Gestalt.
Die Nebelschwaden ziehen wie Geisterwesen über das Parkdeck. Mit ihrem erfrischenden Sprühnebel ist sie auch ein spannendes Beispiel dafür, wie dem heißen, überhitzten Stadtraum mit einem spielerischen Kunstprojekt beizukommen ist.


Nach elf beanspruchenden Jahren hat die Holzstruktur auf den Dächern ein respektables Alter erreicht und müsste im nächsten Jahr rundum erneuert werden (inkl. Turm).

Teile des Rundwegs wurden bereits heuer stillgelegt. Ein physischer Einschnitt, der dem ständigen Drang der Gegenwartskunst nach Wandel, Aufbruch und Innovation sehr entgegenkommt.

Das OÖ Kulturquartier und der Höhenrausch sind kein kunsthistorisches Museum! Nach dem paradiesischen Abschluss heuer ist es deshalb ab 2022 definitiv Zeit für etwas Neues.


Alexander Ponomarev‘s Schiff ist immer noch fest am Turm verankert und wartet nach wie vor darauf, durch das Himmelsmeer zu segeln.



Im großen Saal wächst mithilfe der Besucher*innen ein Opferstock aus Kunstdünger. Ein „Baum der Erkenntnis“, der das problematische Verhältnis des Menschen zur Natur thematisiert und uns gleichzeitig als Kunstwerk einen Moment paradiesischen Wohlgefallens beschert.

Um eine ertragreiche Ernte zu erzielen, waren Fruchtbarkeitsrituale einst ein wichtiger Bestandteil der menschlichen Kultur. Mittlerweile opfern wir unsere Erde. Genauer gesagt: Naturböden, Wasserqualität, Biodiversität und Klima werden für eine stetige Ertragssteigerung aufs Spiel gesetzt. Seit über 100 Jahren wird Kunstdünger dazu verwendet, die ausgelaugten Böden fruchtbar zu machen. Dem gegenüber setzt das Künstler*innenduo Steiner+Lenzlinger bei seinem „Opferstock“ den Kunstdünger wortwörtlich, als etwas Schöpferisches, Fantastisches, ein. Mithilfe der Besucher*innen entsteht eine immer größer werdende, leuchtend rosa Kristallskulptur.



Aufgang Dachboden Ursulinenhof – Aufbruch ins Weltall
Während heute in der Populärkultur lustvoll inszenierte „Untergangsszenarien“ überwiegen, frönt der Science-Fiction-Held Perry Rhodan seit 60 Jahren ungebrochen einer grandiosen Zukunftsphantasie: In den wöchentlich erscheinenden Geschichten wird ein fantastisches „Perryversum“ entfaltet, das nicht nur, aber auch paradiesische Züge trägt – samt Merchandising und Fankultur.




Die Dachböden werden mit poetischen Kunstinstallationen bespielt, die die spektakuläre Holzarchitektur aus dem 18. Jahrhundert intensiv mit einbeziehen: Hsiao-Sheng-Chien verwandelt den Ursulinendachboden in einen künstlich zwitschernden Baum der Erinnerung aus verkabelten Vogelkästen, Klangobjekten und einem hölzernen Plattenteller als Stamm.

Den Kirchendachboden füllt Katharina Struber mit dem Duft von Wachs – hunderte in Bienenwachs getauchte ovale Papiergedichte schweben wie ein Schwarm im Tragwerk über dem Kirchengewölbe.

Sonja Meller präsentiert eine poetische Verbindung von Kultur und Natur, ein in einen Strauch eingewobenes Gedicht aus Golddraht.

Nach dem Abgang über die alten Treppen des nördlichen Glockenturms landen die Besucher*innen zum Abschluss im Schiff der Ursulinenkirche – bevor sie abrupt ins Treiben der Landstraße „entlassen“ werden.

Rückkehr aus einem kontemplativen Paradies in die Alltagswelt.
Auf einen Blick …
HÖHENRAUSCH Wie im Paradies
Dauer: 06.05. – 17.10.21
Öffnungszeiten täglich 10:00 – 20:30 Uhr
OÖ Kulturquartier
OK Platz 1, 4020 Linz
T: +43(0)732/7720-52501
http://www.ooekulturquartier.at
Text: http://www.hoehenrausch.at – Foto mosi-unterwegs – DerKultur.blog
Categories: kulturboulevard, Veranstaltungs-Tipps