Ein Stück über rechtsextreme Radikalisierungsdynamiken, das leider kaum aktueller sein könnte. Und endlich wieder eine Premiere vor Live-Publikum.
Deutschsprachige Erstaufführung Premiere 24.09.2021
Bei Netflix würde jetzt oben links ein Warnhinweis stehen: „Dieses Stück kann Gewaltszenen und rechtes Gedankengut darstellen“.

Viktoria, die mit dem irren Blick, perfekt gespielt von Verena Maria Bauer, ist ein zurückgezogenes junges Mädchen, dessen Vater (Gero Nievelstein) sich aber ernsthafte Sorgen um sie macht. Das Kind geht nie raus, sitzt nur vorm Computer, hört seltsame Musik, hat keinen Freund, ist vielleicht sogar lesbisch – wobei der Vater meint, das wäre ja auch nicht schlimm.

Sie fühlt sich aber auserkoren eine radikale Gruppe anzuführen, das alte Europa zu zerstören und ein neues zu erschaffen. Deshalb sucht sie online Mitläufer. Future (Kristóf Gellén) passt genau in ihr Raster, er ist neugierig, aber noch nicht radikal genug. Sie will unbedingten Gehorsam, wie es ihr Hund zeigt ( David Markandeya Campling) der dies wahnsinnig realistisch mit viel Körpereinsatz umsetzt.

Das Stück zeigt gekonnt wie man seine Mitläufer rechte Ideologien instruiert. “Das Böse weiß ja nicht, dass es das Böse ist, es glaubt ja es ist das Gute” oder “Du musst es nicht verstehen, du musst nur folgen”. “Ist Demokratie nur gut wenn alle dieselbe Meinung haben, wie der, der sie vorgibt? „Wurde Satire und Theater nur deshalb geschaffen um dem Volk ein Stück Meinungsfreiheit zu geben und damit einen Aufstand, eine Revolution zu verhindern?”

Viktoria schafft es mit ihrem charismatischen Auftreten ihre Anhänger an sich zu binden, zu radikalisieren. Es geht ihr um Macht, Ruhm und Anerkennung im Internet – solange das WLAN funktioniert. Ihren Mitläufern geht es eigentlich nur um Geld oder darum einen Fußballverein zu besitzen.



Vorsicht! Es wird gekämpft, geschossen, es fliegen Handgranaten, es wird geköpft, gekreuzigt und es fließt Blut, viel Blut.
Das Stück wühlt einen auf, es regt zum Nachdenken an und zum darüber Reden. Es zeigt erschreckend welche Dynamik sowas annehmen kann. „Wir werden nur vier Leute sein. Aber eine Minute später sind wir vierhundert, viertausend, vier Millionen.“
Respekt an das Theater Regensburg so ein Stück auf die Bühne zu bringen und dem ganzen Team für die Umsetzung!
Das Publikum war bei der Premiere jedenfalls begeistert und bedankte sich beim ganzen Team mit Standing Ovationen.
Foto: Theater Regensburg Foto: Theater Regensburg
Story
Die Europäische Union soll zerschlagen und ihr Präsident öffentlich im Livestream hingerichtet werden. Ein Terroranschlag, der mitten in das Herz der europäischen Idee zielt! Drahtzieher dieser revolutionären Aktion ist eine Gruppe rechtsextremer Terroristen um die charismatische Anführerin Viktoria. Über digitale Kanäle werden Mitglieder für die Bewegung rekrutiert, in einem Trainingslager sollen sie die nötige Abhärtung erfahren und ideologisch gestählt werden. Zweifel? Unerwünscht. Aber sind alle diesem Vorhaben gewachsen? Wo liegen Skrupel? Ängste? Wut? Und warum schließen sich Menschen einer radikalen rechten Bewegung überhaupt an?

In einem rasanten Spiel zwischen Fiktion und Wirklichkeit wird die gefährliche Dynamik der Bewegung spürbar. Doch das Stück überlässt den Radikalen nicht die Bühne. Ein personifizierter “Standpunkt” meldet sich hüstelnd zu Wort, ein Maulwurf offenbart sich und selbst die Demokratie höchstpersönlich schaltet sich ein. Und so entsteht ein Schlagabtausch, wie er wohl nur im Theater möglich ist.
Emanuele Aldrovandi recherchierte für ALARM! in rechtsextremen Strukturen und seziert gekonnt ihre interne Dynamik. Die Anschläge des NSU, aber auch die jüngeren rechtsextremistischen Attentate in Hanau, Kassel, Halle und München zeigen die Gefahren rechter Gewalt. Die Erstürmung des Capitols und die versuchte Besetzung des Bundestags haben die Präsenz staatsfeindlicher Strömungen sichtbar gemacht.
Dem italienischen Autor Emanuele Aldrovandi gelingt mit ALARM! ein scharfkantiges Stück, das sein Publikum lustvoll und klug in die moralische Mangel nimmt. Was gilt es zu verurteilen und was zu verteidigen? Und wie geht man mit denen um, die für ihre radikalen Ideen bereit sind, zum Äußersten zu gehen?
Quelle: https://www.theater-regensburg.de
BESETZUNG
- Viktoria Verena Maria Bauer
- Future, Herostratos, Pontius Pilatus Kristóf Gellén
- Attack, Ein Standpunkt, Psychologe, Zweiter Adler Philipp Quest
- Order, Demokratie, Jesus, Erster Adler David Markandeya Campling
- Vater, Maulwurf, Grauhaariger Gero Nievelstein
Regie: Gregor Turecek
Bühne und Kostüme: Juliette Collas
Kampfchoreographie: Franzy Deutscher
Licht: David Herzog
Dramaturgie: Laura Mangels
Weitere Termine und Tickets: https://www.theater-regensburg.de
Fotos: Jochen Quast
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