
Wir freuen uns sehr Martin Lingnau, Komponist, bei uns im Kulturcafé begrüßen zu dürfen.
Du bist ja doch sehr breit aufgestellt, von Musical über Theater bis zu TV und CD hast du alles anzubieten.
Was hat Dich dazu bewegt das zu tun, was du heute tust? Was ist dein Steckenpferd?
Ich möchte gern mit Musik Geschichten erzählen, und ob dies nun ein Popsong oder eine Filmmusik ist, spielt für mich keine Rolle, in allen Fällen nimmt man Menschen mit auf eine Reise und erzählt ihnen Geschichten. Die Filmmusik zu DER PALAST war eine seltene Herausforderung, da hier sowohl Musik für die Tanzszenen des Ensembles auf der Bühne des Friedrichstadtpalastes als auch die Filmmusik zu den Spielszenen komponiert werden musste. Diese beiden Ebenen konnten wir dann inhaltlich verzahnen. Wenn die Hauptdarstellerin dann zum Beispiel in ihrem Solo-Tanz genau das Thema bekam, das sie auch in den Spielszenen charakterisierte, hatte die Tanzmusik auf einmal eine ganz andere emotionale Ebene. Dies ist ein tolles Beispiel, wie man allein mit Musik Geschichten erzählen kann. Aber auch ein alleinstehender Popsong ist eine große Herausforderung. Hier muss in 3 bis 4 Minuten alles stimmen, ich nenne dies immer ein Polaroid, eine Momentaufnahme. In einem Musical hingegen muss ein Song außer dass er bitte ein guter Song ist, auch noch die vielen W-Fragen erfüllen: Wer singt wann warum wo wie welches Lied. Wenn einem dies nicht ganz klar ist, kann der Song noch so gut sein, er wird wahrscheinlich im inhaltlichen Zusammenhang nicht funktionieren.
Wenn wir über Musicals berichten gehen wir meistens so vor: wir hören uns vorher die CD an, falls es schon eine gibt, und machen uns dann Gedanken, ob uns das Stück auch visuell gefallen könnte.
Bei Goethe! war es aber anders, da haben wir die CD gehört und waren sofort komplett begeistert! Das ist so ein energiegeladenes Stück, das muss man einfach lieben. Wir haben es leider noch nicht live gesehen.
Unserer Meinung nach wäre das sicher ein Publikumsmagnet, warum wird Goethe! nicht öfter aufgeführt?
Goethe! ist mein bislang einziges durchkomponiertes Musical, daher liegt es auch mir besonders am Herzen. Die Möglichkeiten, mit Motiven und Musik zu arbeiten, sind bei einem durchkomponierten Musical wesentlich vielfältiger, daher hat mich Goethe! auch immer gereizt. Es gibt fast kein einziges Lied, das nicht gespiegelt und in variierter Bedeutung erneut zum Klingen kommt. Daher sage ich auch gern, dass sich hier die Musik auch reimt. Wir arbeiten gerade an weiteren Produktionen des Musicals, mehr darf ich leider zur Zeit noch nicht verraten, freue mich aber ungemein, dass euch die Musik so gefällt.
Du bist ja hinter den Kulissen tätig, hast du nicht mal Lust bei einem Stück selbst mitzuwirken oder gab es das schon mal?
Ich habe früher all die Produktionen, an denen ich beteiligt war, auch vom Klavier aus dirigiert. Es kam nur der Tag, an dem ich mich entscheiden musste, eher hinter den Kulissen oder auf der Bühne tätig sein zu wollen, da der Tag einfach nur 24 Stunden hat. Als Komponist muss man ja heutzutage nicht nur Noten auf Papier schreiben, sondern auch sämtliche Arbeitsfelder am Computer beherrschen und auch zumindest tontechnisches Basiswissen mitbringen, hierfür braucht man Zeit.
Das Genres Musical wird hierzulande von Stage Entertainment oder von den Vereinigten Bühnen Wien dominiert. Haben kleinere Theaterhäuser eine Chance in der heutigen Zeit zu überleben?
Ich sehe dies anders. Es gibt eine sehr lebendige Szene, es gibt wesentlich mehr deutschsprachige neue Musicals pro Jahr als je zuvor. Die Stage oder VBW sind ja vielmehr die Spitze des Eisbergs, die oftmals auch eher internationale Lizenzproduktionen zeigen.
Gibt es schon neue Projekte über die du uns was erzählen kannst?
Ich habe soeben gemeinsam mit Ingmar Süberkrüb einen Soundtrack zusammengestellt, der am 17.2. erscheinen wird. Er heisst WONDERS OF WILDLIFE und ist ein Best Of aus all unseren Dokumentarfilm-Kompositionen der letzten 10 Jahre. Hier haben wir aus unzähligen Scores 20 kuratiert und speziell für diesen Soundtrack noch einmal bearbeitet.
#privat
Zu welcher Uhrzeit bist du am kreativsten?
Gern früh am Morgen. Da sind noch keine Emails da, das Telefon klingelt nicht, man hat Ruhe, kreativ zu arbeiten.
Dein „Song of your Live“
Oh da gibt es viele. Aber wenn ich mich für einen entscheiden muss, dann ist es „Here comes the Sun“. Zum Einen, weil ich Beatles-Fan bin, zum Anderen, weil dieser zufällig im Radio im Kreißsaal lief, als mein Sohn Robin auf die Welt kam.
Hast du ein Lieblingsmusical?
Dies wechselt sehr. Durch das DSCHUNGELBUCH von Disney habe ich als Kind begonnen mich für das Genre Musical zu interessieren. Alles von den Sherman Brothers und von Alan Menken habe ich dann regelrecht inhaliert. Dann kam die Zeit vom PHANTOM DER OPER und LES MISERABLES etc.
Die Zeit, in der jedes Musical ein großes Gimmick haben musste, sei es ein Hubschrauber oder ein Kronleuchter. Diese kenne ich auch in- und auswendig. Natürlich bin ich jetzt auch ein HAMILTON-Fan, welches von allem aber mein „Lieblingsmusical“ ist, kann ich wirklich nicht sagen… kann mich hier nicht festlegen, tut mir leid. Die Musik von NEWSIES finde ich fantastisch, das Musical selbst aber habe ich noch nie gesehen.
Beschreibe dich in 3 #hastags
#DerFrueheVogel, #Detailverliebt, #Abenteuerlustig
Ergänze folgende Sätze:
Social Media ist für mich … ein Zeitkiller, auf den ich immer wieder hereinfalle
Mein kleiner Beitrag zum Klimaschutz ist … so wenig wie möglich in Plastikverpackungen zu kaufen und bewußt zu reisen.
Besonders stolz bin ich auf … “Stolz“ ist mir eher fremd. Ich freue mich unglaublich, wenn mir Menschen schreiben, was sie mit meiner Musik verbindet und wenn sie einen besonderen Stellenwert für sie hat.
Heimat ist … dort, wo meine Familie ist.
Was schiebst du immer wieder auf?
Sport und Steuer
Was hast du dir in letzter Zeit gegönnt?
Ich habe mir einen Moog One (Analog-Synthesizer) gekauft, der aber immer noch darauf wartet, erforscht zu werden.
Welche Frage wird dir selten oder nie gestellt, die du aber gerne hier mal beantworten möchtest?
Warum ich gerne tauche.
Dies ist leider schon wieder viel zu lange her, da war auch eine Pandemie im Weg, aber ich werde nie vergessen, wie es für mich war, als ich das erste Mal wortwörtlich in eine andere Welt abgetaucht bin. Dieses schwerelose Gleiten in einer Parallelwelt, die völlig ohne uns auskommt und zu der wir nur für kurze Zeit zu Besuch sein können, fasziniert mich ohne Gleichen. Dies ist auch eine Welt ganz ohne Klang, vielleicht ist es auch daher für mich so besonders.
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